News und Beiträge · 11. März 2022
Expertview von ESB Marketing Netzwerk: Blockchain-Technologien – Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Im kürzlich publizierten Expertview von ESB Marketing Netzwerk spricht Hans-Willy Brockes mit dem Ticketpark-Geschäftsführer, Manuel Reinhard, über das Potenzial der Blockchain-Technologie im Ticketing und welche Vor- und Nachteile sich daraus für Veranstalter und Konsumenten ergeben.
Das Gespräch gibt es hier zum Anhören und nachfolgend als Transkript zum Nachlesen:
Hans-Willy Brockes: Bevor wir zur Blockchain kommen, was macht Ticketpark?
Manuel Reinhard: Ticketpark ist ein Eventticketing-System-Provider, d.h. wir bieten Ticketinglösungen für Veranstalter, die Tickets in ihrem eigenen Namen, mit ihrem eigenen Logo über ihre eigene Website verkaufen. Wir kümmern uns im Hintergrund um alles andere: Inkasso, Support, Technologien für Einlasskontrolle usw. Hier bieten wir das ganze Spektrum von A bis Z für Veranstalter aus beispielsweise Kultur, Business und Sport an.
Hans-Willy Brockes: Aber ihr programmiert auch bzw. ihr seid auch eine Technik-Firma?
Manuel Reinhard: Ja, die ganze Entwicklung unseres Systems kommt von uns selbst, d.h. wir haben es selbst in der Hand und es ist nichts eingekauft. Dies gibt uns die Flexibilität auf die Kundenbedürfnisse einzugehen.
Hans-Willy Brockes: «Blockchain – Es ist nicht alles Gold was glänzt». Gerade im Ticketing sind Fälschungssicherheit oder Übertragungssicherheit ein Thema. Was hast du gegen die Blockchain?
Manuel Reinhard: Ich habe per se nichts gegen die Blockchain. Aber es ist richtig, dass ich eher ein Skeptiker bin – vielleicht nicht der Blockchain, aber eher der Blockchain-Lösungen gegenüber. Aus meiner Sicht geht man heute das Ganze aus der falschen Perspektive an: Man steht nicht vor einem Problem, welches gelöst werden soll und fragt sich, welche Technologie die richtige dafür wäre. Ich sehe viel mehr, dass man eine spannende Technologie vor sich hat, wie es die Blockchain ist, und versucht, diese nun auf Biegen und Brechen überall einzubringen. Das ist nicht der Ansatz, der zu Lösungen führt, die dem Kunden oder dem Anwender letztendlich etwas bringt.
Hans-Willy Brockes: Wir haben am Anfang neuer Technologien immer grosse Experimentierphasen. Ist es den am Anfang nicht richtig, dass alle versuchen, mit der Blockchain etwas zu machen, zu experimentieren und zu schauen, was funktioniert und was nicht?
Manuel Reinhard: Absolut richtig, das machen wir auch. Wir haben schon viele Ideen zur Blockchain verfolgt, viele Ideen verworfen. Man muss das Ergebnis offenhalten. Das heisst, man darf nicht jetzt schon denken, dass dies die Lösung für all unsere Probleme ist, ohne dass es in der Praxis wirklich erprobt werden konnte. Das ist der Punkt, welchen ich skeptisch betrachte und dies nicht nur in der Ticketings-Branche, sondern generell in verschiedenen Branchen, die versuchen, die Blockchain einzusetzen.
Hans-Willy Brockes: Eine Branche, wenn man das so sagen kann, ist der Bereich der Sammler – Stichwort «NFT». Da erleben wir gerade einen riesigen Hype. Hast du etwas gegen den Hype?
Manuel Reinhard: Nein, ich habe nichts gegen den Hype. Jeder kann selbst entscheiden, ob er mitmachen will oder nicht. NFTs sind auch ein spannendes, technisches Ding, weil es erstmals möglich ist, dass ein digitales Dokument, welche ich dir zustelle, nicht mehr bei mir, sondern nur noch bei dir ist. Das NFT, aktuell sind es häufig diese Sammelbilder mit einem lustigen Äffchen, liegt auf irgendeinem Server. Auch wenn das eigene NFT nicht kopierbar ist, so ist der Inhalt des NFTs relativ einfach reproduzierbar. Letztendlich weisst du nicht, wie oft das Äffchen – oder wenn wir von der Event-Branche sprechen: das Ticket – im Umlauf ist. Es braucht eine zentrale Stelle, welche einem sagt, dass das eine NFT-Ticket das richtige Ticket ist und Einlass gewährt. Und genau das führt die Blockchain ad absurdum.
Die Blockchain ist ursprünglich entstanden, um die Banken zu dezentralisieren. Daraus ist der Bitcon resultiert. So eine Kryptowährung funktioniert und erfüllt durchaus ihren Zweck. Diese ist dezentral und das kann niemand mehr kontrollieren – sowohl in guten wie auch in schlechten Anwendungsbereichen.
Bei einem Event existiert jedoch immer eine zentrale Stelle, und das ist der Veranstalter. Dieser Veranstalter stellt die Regeln auf und definiert, wem er Einlass gewährt und wem nicht. Sobald eine zentrale Macht im Spiel ist, ist eine Blockchain das falsche, technische Mittel. Daher sind wir beim Bereich NFT nicht sicher, ob sich das beim Ticketing so durchsetzen wird, ausser vielleicht zum Sammeln, wenn da ein Bedarf besteht, dass beispielweise zu einem Event-Ticket ein kleines, digitales Souvenir mitgegeben wird. Doch auch hier immer mit dem Wissen, das NFT könnte reproduziert werden. So eindeutig nur jemandem allein gehört es dann doch nicht.
Hans-Willy Brockes: Die Sammelidee finde ich ziemlich einleuchtend. Rein nur für den Zugang zum Event benötigt es deiner Meinung kein NFT. Das müsste mit einer Software gelöst werden, oder?
Manuel Reinhard: Ein NFT benötigt es sowieso nicht. Das sieht man heute schon: das Papierticket funktioniert nach wie vor gut. Es gibt diesen einen Einlasspunkt und jemand bestimmt, wer an diesem Einlasspunkt reinkommt und welches Ticket akzeptiert wird. Diese Einheit bestimmt die Regeln für den eigenen Anlass. Somit sprechen wir von einem zentralisierten System – per Definition. Und die Blockchain ist per Definition dezentral. Und deshalb ist sie nicht das richtige Mittel, um die heutigen Ticketing-Herausforderungen zu lösen.
Hans-Willy Brockes: Wie gehst du damit um, dass andere Ticket-Anbieter davon schwärmen, dass sie die Blockchain einsetzen? Habt ihr jetzt einen Wettbewerbsnachteil oder sagt du, sie vergeuden ihre Zeit?
Manuel Reinhard: Ich glaube, dass kann man so generell in beiden Richtungen noch nicht sagen. Einen Wettbewerbsnachteil haben wir nicht, da wir nicht behaupten, dass alles Blödsinn ist. Wir sagen nur, dass man sich überlegen muss, wofür es eingesetzt wird. Und weil wir uns damit beschäftigt haben, können wir argumentieren, weshalb wir gewisse Dinge heute nicht machen. Aber wir verfolgen diese Projekte alle mit Interesse. Das Thema Blockchain verfolgen wir seit etwa 2017, haben es danach für eine Zeit liegen lassen, und mit dem Aufkommen der ganzen NFT-Geschichte wieder aufgriffen. Vielleicht hätten sich nun spannende, neue Anwendungsfälle ergeben, die auch wirklich Sinn machen. Wir sind am Thema dran, aber nur weil es ein Hype ist, müssen wir nicht unbedingt etwas bauen.
Und was denken Sie?
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